09.01.2024

Hochwasser in Niedersachsen: Auch Klöster waren bedroht

Kritische Situationen in Wienhausen und auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Wöltingerode

Restaurator Johannes Mädebach bei der Sicherung des Heiligen Grabes im Kloster Wienhausen. Foto Corinna Lohse, Klosterkammer 

Andauernde Regenfälle seit den Weihnachtsfeiertagen haben in Teilen Niedersachsens zu Hochwasser geführt. Insbesondere rund um die Flüsse Aller, Leine, Oker und Weser blieb die Situation bis in die ersten Januartage angespannt.

Von den Klöstern, die die Klosterkammer in der Umgebung von Hannover betreut, waren das an der Aller gelegene Kloster Wienhausen sowie die nahe der Leine gelegenen Klöster Marienwerder und Mariensee von herannahendem Wasser bedroht. Nahe der Aller liegt auch der Verdener Dom, in dessen Nachbarschaft ein Altstadtviertel überschwemmt worden ist, der Dom selbst ist verschont geblieben. Auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Wöltingerode in Vienenburg ist es auf Grund von Wasser, das in Kellerräume eindrang, zu Schäden gekommen.

Mobiler Deich als Schutz für das Kloster Wienhausen

Kritisch zeigte sich die Lage in Wienhausen bei Celle Ende letzten Jahres. Die Aller hatte den Klosterpark überschwemmt und war dem Kloster Wienhausen bedrohlich nahegekommen. Die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk (THW) und weitere Helferinnen und Helfer waren dort im Einsatz. „Schon am zweiten Weihnachtsfeiertag ist Henrik Santelmann, der Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr aus Wienhausen, in das Kloster gekommen, um die kritische Lage zu besprechen“, schildert Äbtissin Simone Dannenfeld. Hauptsächliches Problem war der stark angestiegene Wasserstand im Küchengraben, der über die Ufer getreten war. Er führt mitten über das Gelände und wird von beiden Seiten indirekt von der Aller gespeist.

Da sich die Situation über die Weihnachtsfeiertage zuspitzt hatte, herrschte am 27. Dezember Hochbetrieb im Kloster Wienhausen: Archivar Wolfgang Brandis kümmerte sich darum, wertvolle Archivgegenstände außerhalb des gefährdeten Bereichs zu bringen. Bauleiterin Claudia Bartels stand mit der Äbtissin in Kontakt und gab Corinna Lohse, Leiterin der Restaurierungswerkstatt, Bescheid, dass Kunstgegenstände gesichert werden mussten. Corinna Lohse war zusammen mit Restaurator Johannes Mädebach von mittags bis in den Abend hinein vor Ort. „Nach Rücksprache mit der Feuerwehr war klar, dass die Agneshalle im Kloster besonders von eindringendem Wasser bedroht war. Dort befanden sich beispielsweise bedeutende hölzerne und teilweise bemalte Kunstgegenstände aus dem 14. und 15. Jahrhundert“, sagt Corinna Lohse. Die Äbtissin und der Hausmeister Edward Renouf halfen mit, kleinere Kunstgegenstände wie Statuen in den ersten Stock zu bringen. Klostermitarbeiter, Frauen aus dem Konvent, Gäste im Haus sowie eine ukrainische Gastfamilie halfen mit, beispielsweise Möbel in die oberen Stockwerke zu räumen.

Ein hoher, hölzerner Schrank zwischen zwei Torbögen wurde auf ein Podest aus Holz gestellt. Im unteren Bereich ist er mit Plastikfolie eingeschlagen.

Aufgebockt und mit Folie gesichert: Ein historischer Schrank im Kloster Wienhausen wurde mit Blick auf möglicherweise eindringendes Wasser gesichert. Foto Corinna Lohse, Klosterkammer

Zu den Kunstgegenständen, die sich aufgrund ihres Gewichts nicht ohne weitere Vorkehrungen transportieren lassen, gehört das Heilige Grab, ein Sarkophag mit der darin liegenden Skulptur des Leichnams Christi aus dem 13. Jahrhundert. „Das Heilige Grab steht in unmittelbarer Nähe zur Agneshalle im Kreuzgang. Wir haben es aufgebockt, so dass es vor eindringendem Wasser geschützt ist“, beschreibt Restaurator Johannes Mädebach. Weil es schon dunkel geworden war, musste zeitweise im Schein von Akku- und Stirnlampen gearbeitet werden.

In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember errichteten die Katastrophenschützer mehrerer freiwilliger Feuerwehren und des THW einen mobilen Deich, der das Klostergelände Wienhausen auf der nördlichen Seite in einem Halbrund von den Wassermassen abgeschirmt hat. Große Wassermengen wurden in der Nähe der Gebäude abgepumpt – so konnte ein Eindringen des Oberflächenwassers verhindert werden. Wegen der Gefahren durch die Überschwemmungen muss der Klosterpark mit seinen bewaldeten Bereichen bis auf Weiteres für den Publikumsverkehr gesperrt bleiben. Einige Bäume laufen Gefahr, den Wassermassen nicht standzuhalten. Bauleiterin Claudia Bartels sagt: „Der mobile Deich konnte aufgrund der Entspannung der Hochwassersituation am 4. Januar wieder abgebaut werden. Das drückende Grundwasser birgt auch weiterhin das Risiko, dass Wasser in tiefer gelegene Bereiche auf dem Klostergelände eindringen könnte.“ Auch wenn noch unklar ist, wie sich die Lage weiterentwickelt, ist Simone Dannenfeld sehr erleichtert, dass das Kloster bisher von dem Hochwasser verschont geblieben ist. „Wir sind dankbar für die großartige Unterstützung, die wir von den vielen freiwilligen Rettungskräften sowie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klosterkammer, die aus ihrem Urlaub heraus zu uns gekommen sind, erhalten haben“, betont die Äbtissin.

Wöltingerode: Wasser drang in Keller des Torhauses und des Klosterkrugs

Auch am Harzrand im Einzugsgebiet der Oker kam es rund um die Weihnachtsfeiertage nach Dauerregen zu sehr hohen Wasserständen. Bauleiter Tobias Lecher schildert die Situation auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Wöltingerode: „Der Mühlenbach, gespeist über die Kiesteiche durch die Oker, hatte einen sehr hohen Wasserstand und ist im Bereich hinter dem Anglerheim über die Ufer getreten. Das Wasser sammelte sich im Wildtiergehege und ist dann über den Parkplatz abgeflossen. Im Bereich der Zufahrt zum Klosterkrug entstand eine sehr große Wasserfläche.“ Sowohl im Torhaus als auch im Restaurant Klosterkrug ist eine erhebliche Menge Wasser in Kellerräume eingedrungen. Teils stand das Wasser bis zu 30 Zentimeter hoch. Mutmaßlich handelte es sich dabei um Grundwasser. Inwiefern das aufgestaute Oberflächenwasser eine Rolle gespielt hat, ist noch unklar. Im Klosterhotel hingegen blieben die Keller trocken. Dort ist in einem gefährdeten Raum bereits ein Pumpensumpf mit einer fest installierten starken Pumpe vorhanden. Nach dem Vorbild werden nun auch im jetzt geschädigten Bereich Pumpen eingebaut. Julius von Gadenstedt, der als Pächter des landwirtschaftlichen Klostergutes Wöltingerode ebenfalls auf dem Gelände tätig ist, unterstützte seine Nachbarn tatkräftig. „Er hat organisiert, dass kurzfristig Pumpen in den betroffenen Kellern aufgestellt wurden und den Mühlengraben mit Sandsäcken der Stadt Goslar gesichert“, sagt Tobias Lecher.

Aufgrund des Wassers im Keller ist der Cellerar GmbH, die das Restaurant Klosterkrug sowie das Klosterhotel als ein Tochterunternehmen der Klosterkammer betreibt, ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden. Die im Kühlhaus des Kellers gelagerten Lebensmittel, für die schon bestellten Essen im Klosterkrug vom 25. Dezember bis Silvester, waren verdorben. Der Betrieb des Klosterhotels lief ungehindert weiter. Robert Reznizak, Geschäftsführer der Cellerar GmbH, erklärt: „Wir mussten allen Gästen, die Tische im Restaurant Klosterkrug reserviert hatten, absagen. Der Klosterkrug ist seit dem Hochwasser geschlossen. Aktuell ist noch nicht abzuschätzen, wann wir ihn wieder öffnen können.“ Derzeit werde alle Kraft darauf konzentriert, bald wieder Gäste im Klosterkrug begrüßen zu können. Nach Möglichkeit werde bei den bestehenden Reservierungen im Januar ein Ausweichen auf das Hotel-Restaurant angeboten, fügt Robert Reznizak hinzu. 

Im Liveticker des NDR war am 8. Januar zu lesen, dass die Hochwassersituation in vielen Regionen Niedersachsens weiterhin angespannt bleibe. Zwar seien viele Pegelstände in Niedersachsen über das Wochenende zurückgegangen. Aber beispielsweise an der Aller sei der Druck auf die Deiche weiterhin hoch. Mindestens bis in die zweite Wochenhälfte solle die Lage dort noch kritisch bleiben. (lah)