07.06.2024

Nach jahrhundertelanger Reise zurück in Hildesheim

Klosterkammer fördert Ersteigerung eines mittelalterlichen Buches

Dombibliotheksleiterin Dr. Monika Suchan (re.) zeigt und erläutert Klosterkammer-Präsidentin Dr. Thela Wernstedt ein vor kurzem ersteigertes mittelalterliches Buch. Dessen Erwerb hat die Klosterkammer gefördert. Foto: Jasmin Leckelt, Dombibliothek Hildesheim.

Bei einem Besuch der Dombibliothek Hildesheim schaute sich Klosterkammer-Präsidentin Dr. Thela Wernstedt mehrere über 500 Jahre alte Bücher an. Deren Kauf hatte die Klosterkammer in den vergangenen Jahren gefördert. Eines davon befindet sich erst seit wenigen Monaten in der Bibliothek.

Und so kam es dazu: Anfang Dezember 2023 erfährt Dr. Monika Suchan, Leiterin der Dombibliothek Hildesheim, von einer laufenden Versteigerung beim berühmten Auktionshaus Sotheby’s in London. Zum Verkauf stehen 14 Inkunabeln, also frühe Drucke aus dem 15. Jahrhundert, und Handschriften aus dem Hildesheimer Kloster St. Godehard. Eins der Bücher möchte Dr. Monika Suchan aufgrund seines mit dem Kloster verbundenen kulturhistorischen Wertes unbedingt ersteigern. Allerdings bleiben nur wenige Tage bis zum Ende der Auktion und mittelalterliche Drucke und Handschriften kosten heute oft viele Tausend Euro.

Was also tun? Die Bibliotheksleiterin stellt in aller Eile Förderanträge bei der Klosterkammer Hannover und bei der Kulturstiftung der Länder mit Sitz in Berlin. Die Klosterkammer gestattet einen vorzeitigen Beginn des Förderprojekts und sagt der Dombibliothek wenig später eine Förderung in Höhe von 10.000 Euro zu. Das und die Förderzusage der Kulturstiftung ermöglichen es Dr. Monika Suchan, schon in den folgenden Tagen bei der Auktion in London mitzubieten – mit Erfolg.

Bei dem Kauf handelt es sich um einen Sammelband, der eng mit Abt Henning Kalberg (1493-1535) von St. Godehard verknüpft ist. Kalberg verfügte innerhalb der Klosterbibliothek über einen Buchbestand, den nur er persönlich nutzen durfte. Dazu gehörte der nun ersteigerte Band, der sowohl Inkunabeln als auch Handschriften enthält. Darunter sind ein Predigttext des Abtes, Gedichte eines Mönches aus dem 9. Jahrhundert sowie eine deutsche Übersetzung eines spätmittelalterlichen Textes über Weinbau. Der lederne Einband des Buchs ist noch original und wurde in der klostereigenen Werkstatt hergestellt. „Für den Bestand der Dombibliothek Hildesheim und das historische Kulturerbe des Bistums und der Region stellt der Kauf des Sammelbands eine herausragende Erweiterung dar“, betont Dr. Monika Suchan erfreut.

Zwei Seiten aus einem mittelalterlichen Buch mit Handschrift und Zeichnung eines Geistlichen.

Blick auf eine Seite des für die Dombibliothek Hildesheim ersteigerten Buchs, hinter dem Text eine Abbildung des Abtes Henning Kalberg von St. Godehard. Foto: Jasmin Leckelt, Dombibliothek Hildesheim.

Doch warum muss die Leiterin der Dombibliothek ein Buch in London ersteigern, das ursprünglich aus Hildesheim stammt? Noch dazu, da die Klosterbibliothek St. Godehard zu einer der besterhaltenen mittelalterlichen Bibliotheken überhaupt zählt. Im 17. Jahrhundert wurden wahrscheinlich einige Bücher sowohl aus dem Godehard-Kloster als auch aus dem Hildesheimer Magdalenen-Kloster an Mönche verschenkt, die nach Auflösung aller Klöster in England aus ihrer Heimat ins Kloster Lamspringe geflohen waren. Als dieses Kloster im Zuge der Säkularisation im 19. Jahrhundert ebenfalls aufgelöst wurde, kehrten einige englischstämmige Mönche auf die Insel zurück – im Gepäck hatten sie die Schriften und Drucke aus Hildesheim. So landeten diese unter anderem in der englischen Abtei Ampleforth, die heute immer mal wieder Bücher aus ihrem Bestand versteigert. Dass zumindest ein Teil der aus Hildesheim stammenden Schriften dorthin zurück gelangt, liegt im Interesse der Klosterkammer. Als Eigentümerin sowohl von St. Godehard als Kirche des früheren Klosters wie auch des Klosters Lamspringe ist sie für deren Erhalt zuständig. Daher hat sie bereits mehrfach solche Ankäufe gefördert.

Nach der Auktion im Dezember 2023 dauert es aufgrund eines aufwändigen Zollverfahrens noch einige Monate, bis die wertvolle Schrift sicher in Hildesheim ankommt. Hier kann sie nun – wie der weitere historische Bestand der Dombibliothek – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und wissenschaftlich untersucht werden. Klosterkammer-Präsident Dr. Thela Wernstedt zeigt sich nach ihrem Besuch der Bibliothek beeindruckt: „Das war hochinteressant. Es handelt sich bei den Büchern um großartige Schätze des Christentums und Frau Dr. Suchan ist eine ausgezeichnete Kennerin der Materie.“ (dr)