16.12.2024
Mittelalterliches Wissen aus dem Kloster Medingen
Herzog August Bibliothek kauft kostbare Handschrift und stellt sie digital zur Verfügung
Die Wolfenbütteler Bibliothek hat eine spätmittelalterliche Handschrift aus dem Kloster Medingen dank Förderung der Kulturstiftung der Länder und der Klosterkammer Hannover für 130.000 Euro erworben.
Die Herzog August Bibliothek ergänzt mit der Handschrift mit farbigen Illustrationen aus der Zeit um 1470 ihren Bestand an ähnlichen Werken aus norddeutschen Frauenklöstern. Die Handschrift ist bereits digitalisiert und soll dauerhaft der Forschung und Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies stärkt die Forschung zur spätmittelalterlichen Buchkultur und zur Rolle der Frauenklöster in Niedersachsen. Die kleinformatige Handschrift wird als Osterorationale bezeichnet, sie enthält lateinische sowie niederdeutsche Gebete und Meditationen zu den Osterfestlichkeiten. Die Handschriftensammlung der Bibliothek umfasst insgesamt rund 12.000 Werke, davon einschließlich der Briefsammlungen rund 2.800 aus dem Mittelalter.
Dr. Thela Wernstedt, Präsidentin der Klosterkammer, sagte bei der Präsentation des Werkes: „Als Klosterkammer Hannover sehen wir es als unsere zentrale Aufgabe und Verantwortung, das reiche kulturelle Erbe der niedersächsischen Klöster zu bewahren und zugänglich zu machen. Diese Handschrift ist ein herausragendes Beispiel dafür: Sie erzählt Geschichten von der Frömmigkeit und dem intellektuellen Leben der Frauenklöster, die einst prägende Bildungsorte unserer Region waren und es heute noch sind.“
Fünfzehn Frauenklöster und Damenstifte in Niedersachsen stehen in enger Verbindung zur Klosterkammer – darunter das Kloster Medingen. Es gehört zu den sechs Lüneburger Klöstern. Diese sind juristisch selbständige Körperschaften öffentlichen Rechts, die aus den Mitteln des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, der größten der von der Klosterkammer verwalteten Stiftungen, baulich unterhalten werden.
Dr. Kristin Püttmann, Äbtissin des Klosters Medingen, fügte hinzu: „Es freut mich sehr, dass dieses besonders schön illustrierte Handschriften-Exemplar für die HAB erworben werden konnte. Die liebevoll gestalteten Zeichnungen sind ein wunderbarer Zugang zur kreativen Ideenwelt der spätmittelalterlichen Medinger Nonnen.“
Das Werk repräsentiert die vorreformatorische Religiosität von Frauen, die durch die zahlreichen, jedoch weltweit verstreuten Handschriften aus Medingen besonders gut erforscht werden kann. Mit einzigartigen ikonographischen Merkmalen und Ergänzungen aus der Zeit nach der Reformation zeigt es die fortdauernde Nutzung.
„Mit dem Medinger Osterorationale erwirbt die Herzog August Bibliothek eine Handschrift, die ihre Gebetbuchsammlung profiliert – und für die Forschung noch attraktiver macht. Die Untersuchung von Gebetbüchern ist integrativer Teil unseres Forschungsfeldes ‚Religion und Emotion‘. Neben interreligiösen Perspektiven findet dabei auch die Materialität religiöser Emotionen besondere Beachtung. Auch an Gebetbüchern lässt sich zeigen, wie im Umgang mit Dingen eine spirituelle Aura entstehen kann“, erläuterte Prof. Dr. Peter Burschel, Direktor der Herzog August Bibliothek.
Die Handschrift wurde auch nach der Reformation weiterhin genutzt. Mit einer Neubindung im 16. Jahrhundert versehen, ist es reich mit gut erhaltener Buchmalerei in Deckfarben und Gold verziert. Die Darstellungen verbinden biblische Szenen mit der persönlichen Frömmigkeit der Konventsmitglieder. (lah)
Auf der Internetseite der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel sind mehr Informationen zur Handschrift und die digitalisierte Version zu finden.