21.11.2024
Kanalsystem und Wandgemälde aus dem Barock erforscht
9. November 2024: Klosterkammer und NLD boten Vorträge und Besichtigung in Lamspringe an
Die Klosterkammer Hannover hat mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD) am 9. November 2024 zu Vorträgen und einer geführten Besichtigung einiger Räume des ehemaligen Klosters Lamspringe eingeladen. Rund 120 Gästen nutzten die Gelegenheit, mehr über dessen Bau- und Nutzungsgeschichte zu erfahren.
Die Gemeindeverwaltung Lamspringe hat ihren Sitz in dem denkmalgeschützten Gebäude, für dessen Erhalt die Klosterkammer Hannover verantwortlich ist. Während umfangreicher Instandsetzungsarbeiten in den vergangenen Jahren ist die Baugeschichte des ehemaligen Klosters erforscht worden, es traten archäologische Funde und gut erhaltene barocke Wandgemälde zu Tage. Außer dem Bereich, in dem die Gemeinde Lamspringe als Mieter untergebracht ist, gehören das verpachtete Klostergut sowie die barocke Klosterkirche zum Ensemble.
Seit Ende Februar 2023 arbeitet die Gemeindeverwaltung Lamspringe nach rund vier Jahren Bauzeit in den neugestaltenden Räumen. Der östliche Teil des Konventflügels der barocken Klosteranlage ist neu organisiert worden: Auf rund 650 Quadratmetern entstanden zehn Einzel- und vier Doppelbüros, zwei Teeküchen und Sanitäranlagen. Ein neues Treppenhaus mit ebenerdigem Zugang und ein Aufzug sorgen für Barrierefreiheit.
In Vorträgen zu den Themen Geschichte, Architektur, Restaurierung, Bauforschung und Archäologie präsentierten Expertinnen und Experten des Landesamtes für Denkmalpflege und der Klosterkammer am 9. November 2024 Erkenntnisse aus baubegleitenden Untersuchungen sowie Gedanken zum Gestaltungskonzept.
Klosterkammer-Präsidentin Dr. Thela Wernstedt, NLD-Landesarchäologe Dr. Henning Haßmann und Lamspringes Bürgermeister Andreas Humbert begrüßten die rund 120 interessierten Gäste im barocken Abtsaal des Klosters Lamspringe. Dr. Thela Wernstedt hob die Prinzipien des Denkmalerhalts hervor: „Der erste Schritt zum Schutz ist die Ausweisung als Denkmal durch das Landesamt für Denkmalpflege. Pflege meint den größtmöglichen Erhalt der vorhandenen Substanz und eine Weiterentwicklung des Gebäudes unter der Voraussetzung, dass diese Substanz auch in Zukunft erhalten bleibt. Schließlich gehört zu einer denkmalgerechten Sanierung auch die Forschung, der Blick dafür, was während des Sanierungsprozesses alles zum Vorschein kommt und wie das historisch einzuordnen ist.“
Dr. Henning Haßmann ergänzte: „Während das NLD als Landesdenkmalfachbehörde für die Einschätzung des Denkmalwertes zuständig ist, sieht sich die ebenfalls dem Erhalt des kulturellen Erbes verpflichtete Klosterkammer der Herausforderung gegenüber, die fachlichen Aspekte des Denkmalschutzes in die zu finanzierende Praxis umzusetzen. Dies gilt es mit einer letztlich auch für den Denkmalerhalt notwendigen Nutzung zu verknüpfen, was hier wunderbar gelungen ist.“
Neue Erkenntnisse zum ehemaligen Kloster Lamspringe präsentierten die Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege. Mittelalterarchäologe Dr. Markus C. Blaich hat Hinweise auf die Entstehungszeit des Klosters ausgewertet: Begleitend zu Ausgrabungen im Kloster Lamspringe führte das NLD ein Forschungsprojekt zur Burganlage Hohen Schanze bei Winzenburg durch. Es zeigte sich, dass die Hohe Schanze keine Missionsstation des 8. und 9. Jahrhunderts ist, sondern eine Befestigung des 10.-12. Jahrhunderts. Damit ist sicher, dass entgegen der vorherigen Annahme kein Zusammenhang zwischen der Gründung des Klosters Lamspringe und dem Bau bei Winzenburg besteht.
Sein Kollege Tobias Uhlig, örtlicher Grabungsleiter, jetzt Leiter des Regionalreferats Braunschweig, konnte während der archäologischen Baubegleitung erstmalig den Fokus auf die qualitativ hochwertigen und sehr gut erhaltenen barocken Gründungsmaßnahmen inklusive eines komplexen Kanalsystems legen. Es zeigte sich, dass trotz der kompletten Überprägung des Klosterareals im 18. Jahrhundert und zahlreicher moderner Eingriffe mit substanziellen archäologischen Spuren des hochmittelalterlichen Benediktinerinnenklosters zu rechnen ist.
Der Bauforscher Dr.-Ing. Bernd Adam sprach zur Bau- und Nutzungsgeschichte des ehemaligen Klosters. Alle heute erhaltenen Gebäudeteile stammen aus der Zeit des Barock. Von 1730 bis 1803 lebte ein Benediktinerkonvent im Kloster. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Gebäude zu säkularen Zwecken genutzt, mit der stärksten Umbauzeit um 1850. Weitere Umgestaltungen fanden auch noch in den 1930er- und 1970er-Jahren statt.
Johannes Mädebach, Restaurator der Klosterkammer, berichtete von Befunden zu barocken Wandmalereien. Er hat sich mit den unter mehreren Farbschichten und Tapete zum Vorschein gekommenen Fragmenten befasst. „Wir haben im nördlichen Teil der Galerie 15 Untersuchungsfenster freilegen lassen. Die Befunde lassen den Schluss zu, dass der Raum in weiten Teilen ausgemalt ist, die Darstellungen aus der Barock-Zeit gut erhalten sind – und damit eine Rarität. In Niedersachsen sind ansonsten keine vergleichbar großen klösterlichen Räume mit vollflächiger figürlicher Wandmalerei aus jener Zeit bekannt“, sagte Johannes Mädebach.
Die Fäden all jener Gedanken zu der Entstehung der Gebäude und ihrer wechselvollen Nutzung im Laufe der Jahrhunderte laufen in dem Konzept zur Umgestaltung zusammen, das Christina Lippert als zuständige Baudezernentin der Klosterkammer, vorstellte. Der modernen Funktion zur Büronutzung von Seiten der Gemeindeverwaltung kam die im 18. Jahrhundert angelegte modulare Struktur der Räume und Fassaden im Konventflügel entgegen. Jüngere Trennwände wurden rückgebaut, um die ursprüngliche Raumfolge wieder freizulegen. Eingestellte Kuben in Leichtbauweise ermöglichen die Büronutzung, die jederzeit reversibel ist. Damit wird dem denkmalfachlichen Grundsatz entsprochen, dass Eingriffe in die vorhandenen Strukturen rückbaubar sein sollen. Christina Lippert resümierte: „Mit einem neuen Zugang, Aufzug und Treppenhaus sind alle Geschoßebenen barrierefrei erschlossen. Dieser Eingriff war unvermeidbar, da Barrierefreiheit eine Voraussetzung für die moderne Nutzung ist. Dies ist ein Beispiel dafür, dass ein denkmalpflegerisches Konzept kein Idealziel formuliert, sondern bereits selbst Ergebnis von Abwägung und Kompromissfindung ist.“
Im Anschluss an die Vorträge hatten die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, sich an verschiedenen Stationen die konkreten Befunde und baulichen Lösungen anzuschauen. (lah)