24.07.2023

Münsterkirche St. Alexandri in Einbeck wird neu gedeckt

Klosterkammer Hannover lässt Dachplatten in historischer Optik entwickeln

Zwei Männer mit Bauhelmen, angeseilt, decken ein Dach. Baugerüst.

Dachdecker verlegen eigens entwickelte Dachplatten auf dem Süddach der Münsterkirche St. Alexandri in Einbeck. Foto: Klosterkammer/Dorothee Räber

Wer sich im Sommer 2023 der Münsterkirche St. Alexandri in der Altstadt des südniedersächsischen Einbeck nähert, sieht erst einmal vor allem eines: Hier laufen wohl gerade Bauarbeiten. Ein großer Teil der südlichen Kirchenfassade versteckt sich hinter einem fast 20 Meter hohen mit Planen verhängten Gerüst. Wer den Kopf in den Nacken legt, erkennt dann: Darüber, auf dem Dach, herrscht reges Treiben. Vier bis fünf Dachdecker kraxeln mit Seilen gesichert in bis zu 32 Metern Höhe herum. Ihre Aufgabe ist es, einen rund 500 Quadratmeter großen Abschnitt des Kirchendachs neu decken. Die Arbeiten haben Ende Mai 2023 begonnen.

Bereits im Jahr 2018 war klar, dass das Dach St. Alexandris, das zuletzt in den 1970er Jahren gedeckt wurde, erneuert werden müsste. Doch für den bedeutenden gotischen Kirchenbau kann man nicht einfach Dachziegel im Baufachhandel erstehen. Ursprünglich einmal war das Dach mit Platten aus dem für Südniedersachsen typischen Sollingsandstein gedeckt. Weil es diesen Rohstoff kaum noch gibt und die vor rund 50 Jahren industriell gefertigten Betondachplatten in der Form nicht mehr hergestellt werden, musste eine andere Lösung her.

Diese ergab sich im Gespräch mit einer in Tirol ansässigen Manufaktur für Dachplatten. Diese entwickelte aus Sand, Romanzement und einigen weiteren Zuschlagsstoffen eine Betondachplatte, die dem rötlichen Sollingsandstein sehr ähnelt. Auch die Maschine, die die Handfertigung der Platten unterstützt, musste erst entwickelt und gebaut werden. Die Anforderungen an die Dachplatten sind hoch: Es geht in erster Linie darum, einen Dachstein zu (er-)finden, der konstruktiv und geometrisch mit dem Betondachstein der 1970er Jahre kompatibel ist, der aber gleichzeitig die Kirche ihrem historischen Aussehen annähert. Dabei soll das neue Dach aus Kosten- und Nachhaltigkeitsgründen möglichst lange halten. Angedacht sind rund 100 Jahre. Die Dachdecker können die Platten nicht einfach auf das sehr steile Dach auflegen, sondern dafür braucht es eine spezielle Befestigung. Auch diese musste die Klosterkammer neu entwickeln lassen.

Kirchendach, teilweise gedeckt. Kirchturm. Baugerüst. Rötliche Dachplatten.

Neue Technik in altem Gewand: Das im Juli 2023 zum Teil neu gedeckte Dach der Kirche. Foto: Klosterkammer/Dorothee Räber

Dafür bedurfte es der Zusammenarbeit der Plattenmanufaktur mit einer Firma aus dem Sauerland. Diese stellt so genannte Windsogsicherungen her, das sind Klammersysteme zur Befestigung von Dachplatten und -ziegeln am Dachstuhl. Haken und Bügel bewirken, dass die Platten starkem Wind und Sturm standhalten und sich nicht bewegen. Bis die Dachplatten und Windsogsicherungen in jeder Hinsicht den Qualitätsvorstellungen der Klosterkammer als Eigentümerin der Kirche entsprachen, war es ein langer Entwicklungsprozess. Dazu gehörte, dass sie zunächst im Windlabor des Klammerherstellers getestet wurden. Es folgte eine rund zweijährige Testphase auf dem recht kleinen und niedrigen Dach der Sakristei St. Alexandris. Die Platten, die nun tatsächlich zum Einsatz kommen, hat zudem ein externer Betonspezialist geprüft, so dass sie eine offizielle Zertifizierung bekommen konnten.

Die Dachdecker, die momentan auf dem Kirchendach herumklettern, sind zwar erfahren in der Arbeit auf denkmalgeschützten Gebäuden. Trotzdem mussten sie sich erst in den Umgang mit den neu entwickelten Materialen einarbeiten. Das Eindecken des südlichen Kirchendachs geht nun aber zügig voran und soll nach gut drei Monaten Bauzeit im September beendet werden. Die Kosten dafür liegen bei etwa 450.000 Euro. In den nächsten Jahren wird die Nordseite der Kirche gedeckt und im Anschluss der Kirchturm an der Westseite. Außerdem sind – jeweils parallel zum Dachsanierungsabschnitt – Restaurierungsarbeiten an Fassade und Fenstern der Münsterkirche vorgesehen. (dr)

Luftbild auf Kirche. Braun gedecktes Kirchendach. Kirchturm teilweise sichtbar.

Blick von oben auf das Süddach der Münsterkirche vor Beginn der Arbeiten. Foto: Ingenieurbüro Drecoll/Frank Wielitzek