12.06.2013

Tintenfassmadonna unter dem Skalpell

Aufwändige Restaurierungsmaßnahme erfolgt in der Klosterkammer

Eine Frau schaut durch ein Spezialgerät für Restauratoren auf eine vor ihr liegende Holzfigur, an der sie gerade arbeitet.

Roksana Jachim bei den Freilegungsarbeiten an der Tintenfassmadonna.
Foto: Klosterkammer/Kristina Weidelhofer

Hier ist Platz für Maria und das Jesuskind: Seit Juni 2012 beherbergt die Restaurierungswerkstatt der Klosterkammer die Tintenfassmadonna aus dem Hildesheimer Mariendom. Die Madonna gilt als eine der bedeutendsten Holzskulpturen des 15. Jahrhunderts. Im Auftrag des Bistums Hildesheim legt freiberuflich tätige und studierte Restauratorin Roksana Jachim die Statue frei, damit sie pünktlich zum Bistumsjubiläum im Jahr 2015 in neuem Glanz erstrahlt.

Die restaurierungsbedürftige Tintenfassmadonna wurde anlässlich der Umbauten des Hildesheimer Doms im November 2010 zunächst in das Niedersächsische Landesmuseum Hannover und im Juni 2012 in die Klosterkammer Hannover ausgelagert. Ein Anruf von Michael Brandt, Direktor des Dom-Museums Hildesheim, machte den Anfang: "Er fragte an, ob unsere Restaurierungswerkstatt der Tintenfassmadonna Asyl gewährt - und dies haben wir unbürokratisch möglich gemacht", sagt Hans-Joachim Frey, Leiter der Restaurierungswerkstatt der Klosterkammer Hannover. Dort wird die Madonna seit Oktober 2012 auf Grundlage des von Roksana Jachim erstellten Behandlungskonzeptes freigelegt. "Diese in der Restaurierung selten angewandte Maßnahme ist notwendig, da die oberste, in der Nachkriegszeit aufgebrachte Fassung eine solche Oberflächenspannung erzeugt, dass diese nur durch Freilegung minimiert werden kann", erläutert Roksana Jachim. Die 30-Jährige beschäftigt sich bereits seit zweieinhalb Jahren mit der Tintenfassmadonna und vollendete ihre Masterarbeit im Jahr 2011 zu diesem Thema.

Zu den umfangreichen Vorarbeiten, die Roksana Jachim in der Phase der Konzepterstellung vorgenommen hat, gehörten - erstmals in der Geschichte der Restaurierung - auch Untersuchungen mithilfe eines neuartigen Computertomografen, die in einer Radiologie-Praxis in Hannover durchgeführt worden sind.

Die anschließenden Restaurierungsarbeiten sind aufwändiger als zunächst geplant: Ursprünglich wollte die Restauratorin nur die erste Fassung, die aus mehreren Schichten besteht, freilegen. Mit dem Skalpell, Gelkompressen und unter 40-facher Vergrößerung mit dem Operationsmikroskop trägt sie die Schichten ab, die dünner sind als ein Menschenhaar. "Jede Fassung ist aus mehreren Schichten aufgebaut", erklärt die Diplom-Restauratorin. Doch die zunächst zutage getretene Fassung war nur ruinenhaft erhalten. "Die nun freigelegte Fassung der Tintenfassmadonna ist deutlich feiner gearbeitet als die bereits abgenommenen. Sie ist detaillierter in Farbgebung und Schattierung, zeigt einen feineren Pinselstrich und hat durch den mehrschichtigen Aufbau deutlich mehr Brillanz", sagt Hans-Joachim Frey. Zeitlich ordnen die Experten sie in die Barockzeit ein.

"Trotz der entstandenen Mehrarbeit sind wir zuversichtlich, dass die Tintenfassmadonna pünktlich zum Bistumsjubiläum im Jahr 2015 in den Mariendom zurückkehren kann", unterstreicht Michael Brandt, Direktor des Dom-Museums Hildesheim.

"Mein besonderer Dank gilt Herrn Joachim Frey und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie stellen mir nicht nur einen gut ausgerüsteten Arbeitsplatz zur Verfügung, auch der kollegiale Austausch und die gute Stimmung dort kommen meiner Arbeit sehr zugute", sagt Roksana Jachim.