Vom „Rollenden Georg“ und einer inklusiven „Oscar-Verleihung“
Audiobeitrag über regelmäßig von der Klosterkammer geförderte Bildungsprojekte
„Händel4Kids“ – unter diesem Namen betreiben die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen musikpädagogische Vermittlungsarbeit.
„Ein Projekt, mit dem sie in herausforderndem Umfeld präsent sind und einladen, gemeinsam zu musizieren.“
Mit diesen Worten beschreibt Anna Mohr, bis Anfang 2024 Klosterkammer-Dezernentin für Förderungen im Bildungsbereich, das Grundkonzept von „Händel4Kids“. Die Händel-Festspiele selbst widmen sich bereits seit 1920 dem Werk des berühmten Barock-Komponisten Georg Friedrich Händel. 2004 nahmen die Festspiele erstmals Angebote für Kinder ins Programm auf. Zum Auftakt kamen damals Musikerinnen und Musiker in einige Schulklassen und stellten ihre Instrumente vor.
„Die Idee ist, ein Ort zu sein der Musik, an dem man zusammenkommt und auf die eigene Arbeit aufmerksam macht und zu den Menschen hinzugehen und nicht zu erwarten, dass sie alle zu einem kommen.“
Über die Jahre ist „Händel4Kids“ stark gewachsen und hat sich professionalisiert. Die Verantwortlichen
„...haben neue Zielgruppen erreicht, zum Beispiel Kinder und Jugendliche, die viel schwerer zu erreichen sind als die, deren Eltern sowieso zum Publikum der Händel-Festspiele gehören, haben die Kinder und Jugendlichen in Schulklassen erreicht und in ihrer Freizeit“,
erklärt Anna Mohr. Der „Rollende Georg“ beispielsweise, eine mobile Bühne in einem Lastwagen, eignet sich gut dafür, die Musik zu einem Publikum zu bringen, das nicht in den Konzertsälen anzutreffen ist. Profi-Musikerinnen und -Musiker bespielen den „Rollenden Georg“ in Göttingen und Umgebung an öffentlichen Orten, etwa in Parks, an Skaterplätzen oder Nachbarschaftszentren. Darüber hinaus gehört zum Programm der Festspiele ein Kindertag, unter anderem mit Konzerten für Kinder bis zwei Jahren, Instrumentenbaukursen, Lesungen und weiteren Musikaufführungen durch Profis wie auch Laien.
Die Klosterkammer fördert „Händel4Kids“ seit 2005 jährlich und bisher mit insgesamt 808.000 Euro. Dass ein Projekt jedes Jahr von der Klosterkammer gefördert wird, ist eine große Besonderheit. Denn, erläutert Dezernentin Anna Mohr:
„Die Klosterkammer betreibt grundsätzlich nur Projektförderung. Das ist, anders als eine institutionelle Förderung, eben eine Förderung, die ein besonderes Vorhaben unterstützt, das einen Anfang und ein Ende hat. Das ist oft schwierig, weil ganz tolle Projekte eben manchmal jedes Jahr stattfinden. Wir haben für uns entschieden, dass wir aber nicht jedes Jahr fördern. Das ist eine Grundsatzentscheidung, davon gibt es aber Ausnahmen.“
Dass „Händel4Kids“ eins der Projekte ist, die von der Ausnahme profitieren, ist keine Willkür. Die Klosterkammer war von Anfang an Förderin der Musikvermittlung der Händel-Festspiele und zwar deshalb jedes Jahr, weil die Qualität so überzeugend war. Schließlich kam die Abteilung Förderungen zu dem Entschluss, „Händel4Kids“ zu einem ihrer „Leuchtturmprojekte“ zu machen – Projekte, mit denen die Klosterkammer als fördernde Einrichtung öffentlich sichtbar sein möchte.
Ein zweites „Leuchtturmprojekt“, das jedes Jahr Zuwendungen erhält, nennt sich „ganz schön anders“. Dabei handelt es sich um einen inklusiven Kurzfilmwettbewerb für niedersächsische Schülerinnen und Schüler ab Klasse sieben.
„Das haben wir selber initiiert, 2008 bis 2010, das war auch erst ganz klein-er Versuchsballon und hat über diese drei Jahre aber so gut funktioniert, dass die Projektverantwortlichen, die damals von der Klosterkammer bezahlt worden sind, beschlossen haben, dass sie das eigentlich gerne als Förderprojekt weiterführen wollen und haben gefragt, ob sie das machen dürfen und ob wir uns vorstellen könnten, vielleicht jetzt einfach extern als Förderer aufzutreten“,
erzählt Anna Mohr. Der Filmwettbewerb hat jedes Jahr ein neues Thema. Zuvor können sich Schulklassen um die Teilnahme an Filmworkshops bewerben, in denen sie das Filmemachen und Drehbuchschreiben lernen können. Aber auch alle Jugendlichen der Zielgruppe, die nicht an Workshops teilgenommen haben, können beim Wettbewerb antreten und haben gute Gewinnchancen. Zunächst war das Projekt nicht ausdrücklich inklusiv angelegt, hat sich aber immer mehr dahingehend entwickelt, ausgelöst durch einen blinden Fleck bei der Planung der Workshops:
„Da riefen die Projektverantwortlichen ganz aufgeregt an und sagten, es hätte sich eine Förderschulklasse beworben. In dieser Förderschulklasse waren mehrere Schülerinnen und Schüler, die im Rollstuhl saßen, und wir hatten ein ganz großes Problem: Dort, wo die Workshops stattfinden sollten, das war nicht barrierefrei. Wir standen vor dem Problem, dass das nicht mehr umzumodeln war und dass wir damit total exklusiv gehandelt haben, ne. Wir haben die unbewusst ausgeschlossen.“
Damals konnte das Problem nicht sofort gelöst werden, so dass die betreffende Förderschulklasse erst im Folgejahr am Filmprojekt teilnehmen konnte. Inzwischen sind Schülerinnen und Schüler von Förderschulen aber ganz selbstverständlich dabei, genauso wie Inklusionsklassen von Regelschulen und Regelschulklassen. Am Ende steht jedes Jahr eine feierliche Filmgala in Hannover – natürlich barrierefrei – bei der die Preise verliehen werden, darunter auch eine Auszeichnung als Publikumsliebling. Die Klosterkammer hat den Wettbewerb seit 2011 mit insgesamt 600.000 Euro gefördert. Und das kleine Projekt ist mittlerweile ganz groß geworden mit jährlich 1500 Teilnehmenden von rund 40 Schulen. In den letzten zehn Jahren sind so 900 Kurzfilme entstanden.
Anna Mohr ist es wichtig zu betonen, dass diese beiden Projekte sich fortwährend selbst hinterfragen und durch Evaluation immer weiterentwickeln. Und:
„Für mich ganz bezeichnend ist zum Beispiel auch gewesen, dass beide Projekte auf ganz unterschiedliche Art und Weise die Arbeit mit ihren Zielgruppen in der Pandemie geschafft haben. Die Zielgruppe Kinder und Jugendliche, besonders im Klassenverband, ist ja eine Gruppe gewesen, die in der Pandemie ganz schwer zu erreichen war. Beide haben es trotzdem geschafft. Das ist zum Beispiel auch ein Qualitätskriterium gewesen für uns.“
Übrigens müssen die Verantwortlichen der beiden großen Projekte für jeden Förderzeitraum einen neuen Förderantrag stellen. Es handelt sich bei der Förderung also nicht um „Selbstläufer“. Mehr „Leuchttürme“ soll es aber erst einmal nicht geben, denn grundsätzlich sollen möglichst viele verschiedene Projekte im ganzen Fördergebiet der Klosterkammer von den Zuwendungen profitieren.