„Klimawandel – was hab' ich denn damit zu tun?“
Audiobeitrag über das von der Klosterkammer geförderte Projekt „WandelWerkstatt" – Nachhaltigkeitsbildung in Jugendwerkstätten
Von „Klimaschutz ist ein Menschenrecht!“ bis hin zu „Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel!“ – die Bandbreite von Haltungen zum Thema Klimaschutz ist riesig. In den Medien und in der Öffentlichkeit ist das Thema allgegenwärtig. Und doch: Es gibt es Menschen, in deren Leben der Klimawandel kaum eine Rolle spielt. Das will die „WandelWerkstatt“ ändern. Die „WandelWerkstatt“ ist ein Projekt des Vereins Niedersächsischer Bildungsinitiativen – kurz VNB – gemeinsam mit zwei Jugendwerkstätten.
Eine dieser Jugendwerkstätten betreibt die Arbeits- und Sozialberatungsgesellschaft – kurz ASG – im hannoverschen Stadtteil Ahlem. Dort können sich junge Erwachsene auf ihren Berufseinstieg vorbereiten. Die Angebote der ASG richten sich an 17- bis 27-Jährige in schwierigen Lebenslagen. Welche Probleme sie haben, schildert Sabine Zielinski, die Geschäftsführerin der ASG:
„Die haben teilweise Schulden oder sind straffällig. Jetzt im Moment haben wir halt auch viele, die Sprache einfach noch nicht so gut können und die einfach einen großen sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf haben. Sind teilweise auch wohnungslos, das heißt, sie machen so Wohnungshopping von Freund zu Freund und die sind einfach psychisch belastet.“
Oft kommen auch mehrere Probleme zusammen. Deshalb sind die jungen Menschen nicht in der Lage, zu arbeiten oder eine Berufsausbildung zu beginnen. Die Fahrrad-, Tischler- und Kochwerkstätten der ASG bieten ihnen Erfahrungen mit handwerklichen Arbeiten, vor allem aber bekommt ihr Alltag eine Struktur. Viele müssen erst einmal lernen, regelmäßig morgens dort zu erscheinen und mitzuarbeiten. Zudem bekommen die Teilnehmenden Hilfe, um ihre drängendsten Alltagsschwierigkeiten zu lösen. Das Nachholen von Schulabschlüssen ermöglicht die ASG ebenso wie eine vollständige Berufsausbildung in den eigenen Werkstätten. Das Thema Nachhaltigkeit stand bei der Arbeit mit den jungen Menschen für die ASG allerdings bisher nicht im Vordergrund. Mülltrennung oder der sparsame Umgang mit Materialien passierten nebenbei, wurden aber nicht ausdrücklich thematisiert. Sabine Zielinski erklärt:
„Unsere Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die haben halt ganz andere Sorgen. Mit den Jugendlichen saßen wir da zusammen und dann hat der eine mich tatsächlich gefragt: ,Klimawandel – was hab ich denn da eigentlich damit zu tun?‘ Also, es ist wirklich so, dass sie sich nicht wirklich damit beschäftigen.“
In weiteren Gesprächen mit den jungen Leuten stellten die Mitarbeitenden der ASG allerdings doch ein gewisses Interesse an Klima- und Umweltthemen fest. Mit dem VNB entwickelte man daraufhin das Modellprojekt „WandelWerkstatt“. Erik Springer ist Bildungsreferent beim VNB. Er ist überzeugt davon, dass es auch für Jugendliche in prekären Lebenssituationen gesellschaftlich relevant ist, bei diesen Themen mitreden zu können:
„Was brauchen die eigentlich, um sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen? Was können sie privat machen, was sind so Konsumentscheidungen, die sie anders treffen können, also so ganz klassische Umweltbildungssachen. Aber auch so, wie kann sich das in die Arbeit in der Jugendwerkstatt, und dann auch, in so ne aktivistische Arbeit oder in so ne neue Geisteshaltung übertragen, die sie dann vielleicht auch bei ihren zukünftigen Arbeitgebenden haben. Wie können sie Nachhaltigkeit tatsächlich im Betrieb mitgestalten?“
Denn das ist die Grundidee der „WandelWerkstatt“: Die jungen Menschen, die heute mit vielen persönlichen Problemen zu kämpfen haben, sollen durch ihre Teilnahme zum einen ausbildungsfähig werden. Zum anderen sollen sie auch in der Lage sein, als mögliche Fachkräfte von morgen in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen sprech- und handlungsfähig zu werden. Die Klosterkammer Hannover war ebenfalls überzeugt, dass dies zur gesellschaftlichen Teilhabe der vulnerablen Zielgruppe beitragen kann. Sie förderte das Projekt mit 40.000 Euro.
Und so bekamen Jugendliche bei der ASG von März 2023 bis April 2024 eine Art Grundbildung in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Dazu gehörten Begriffsklärungen und ein Aufmerksammachen auf Klimaveränderungen im Alltag, erzählt Erik Springer:
„Wir machen dann immer auch gerne auch so ganz praktische Beispiele, wie merke ich jetzt aktuell schon den Klimawandel? Dass, wenn ich jetzt schon rausgehe, habe ich vielleicht schon seit drei, vier Wochen Heuschnupfen und eine laufende Nase, das war vielleicht vor vier, fünf Jahren noch nicht so. Oder natürlich merken sie auch, was um sie herum so passiert. Sie merken irgendwie, es gibt Dürren, sie merken, es gibt Überschwemmungen, Hochwasser, mehr Tornados. Und das dann auch einfach mal einzuordnen und zu sagen, das kommt halt aus der Lebensweise, wie wir gerade irgendwie leben. Da auch mal die Verbindung zu schaffen, weil oftmals steht das so im Raum, aber sie haben oftmals die Verbindung gar nicht.“
In der Praxis lernten die Teilnehmenden der „WandelWerkstatt“ beispielsweise, gebrauchte Materialien nicht einfach wegzuwerfen, sondern etwa bei Fahrradreparaturen wiederzuverwenden. Oder sie stellten daraus als Upcycling neue Gegenstände her, wie zum Beispiel Garderoben aus alten Lenkern und Sätteln. In der Holzwerkstatt lernten die Jugendlichen den Wert heimischer Hölzer schätzen. Und zum Thema Selbstversorgung bauten sie ein Hochbeet und beschäftigten sich mit den Klimavorteilen von saisonaler und regionaler Ernährung.
Teil des Projektes ist auch die Vernetzung mit anderen Jugendwerkstätten – in der Hoffnung, dass das Thema Klimaschutz auch dort künftig eine größere Rolle spielt, so Erik Springer:
„Wir gucken uns jetzt an, welche Methoden haben gut funktioniert im Projekt, was vielleicht weniger gut für die Zielgruppe, und wollen unser Wissen weitergeben an andere Fachanleitende, an andere Pädagog*innen, bundesweit in Multiplikator*innenschulungen, wollen wir einfach gucken, wie kann man sowohl mit Teilnehmenden arbeiten, aber wie kann man sich auch als Werkstatt auf den Weg machen zu mehr Nachhaltigkeit.“
Und die jungen Leute selbst? Amon, 22 Jahre alt, holt bei der ASG seinen Realschulabschluss nach. Gleichzeitig hat er an der „WandelWerkstatt“ teilgenommen. Er hatte besonders viel Spaß daran, aus alten Dingen etwas Neues zu bauen und meint:
„Ich finde es generell ganz gut, dass wir was zur Umwelt tun und engagiere mich da ganz gerne in dem Projekt. Ich finde, das ist wichtig und in der Zukunft auch immer wichtiger, weil der Planet, dem geht es halt nicht gut. Und deswegen hab ich sehr viel Spaß am Projekt.“