„Försterin sein ist eine Lebenseinstellung und eine Berufung“
Audiobeitrag über die Arbeit Stefanie Schottes, Revierleiterin der Klosterrevierförsterei Wülfinghausen
[Knisterndes Laub und Sprühdosengeräusche] Mit einer Sprühdose ausgerüstet stapft Stefanie Schotte im Wald durch trockenes Laub. Sie zählt und markiert mit spezieller Farbe aufgestapelte Baumstämme, die zum Abtransport am Wegesrand bereitliegen. Das Markieren von zu fällenden oder bereits gefällten Bäumen ist eine wichtige Aufgabe der Försterin – und sie macht ihr Spaß:
„Das ist ne tolle Aufgabe, weil man mit viel Verstand und geschärften Sinnen durch den Wald geht und nicht willkürlich Farbe an die Bäume macht, sondern genau überlegt: Welcher Baum wird jetzt gefällt und warum? Wie möchte ich diesen Bestand weiterentwickeln? Was soll danach mit ihm passieren?“
Stefanie Schotte ist studierte Forstwirtin und arbeitet seit dem Jahr 2017 beim Klosterkammerforstbetrieb, kurz Klosterforsten. Seit 2021 ist sie Leiterin der Klosterrevierförsterei Wülfinghausen, einem Ortsteil von Springe-Holtensen. In Wülfinghausen arbeitet und lebt sie mit ihrem Mann, der ebenfalls beim Forstbetrieb tätig ist, und ihrem Kind im Forsthaus. Zu ihrem Revier gehören aber auch Waldgebiete bei Barsinghausen und Wennigsen. Insgesamt ist sie verantwortlich für knapp 2000 Hektar.
Dass Frauen sich für den Beruf der Försterin entscheiden, kommt noch ziemlich selten vor. So ist Schotte bei den Klosterforsten die einzige Frau unter zwölf Revierleitenden. Und auch sonst widerspricht sie in so ziemlich jeder Hinsicht dem alten Klischeebild des Försters: Mann mit Hut, Flinte und Jagdhorn beim Waldspaziergang mit Dackel. Ein Dackel und ein Labrador begleiten zwar auch Stefanie Schotte im Wald, doch ansonsten ist ihre Arbeit als Försterin ziemlich modern geworden:
„Es ist tatsächlich so, dass wir große Reviere haben. Das geht alles nicht mehr zu Fuß, man ist mit dem Auto unterwegs, hat viel zu erledigen, hat das Telefon ständig dabei, das dauernd klingelt, ist eher in Funktionskleidung unterwegs als in grünem Loden, und hat tatsächlich auch ein computerbesetztes Büro, was man mindestens die Hälfte der Zeit bedienen muss, ja.“
Die Klosterforsten sind der Forstbetrieb der Klosterkammer Hannover. In elf niedersächsischen Revieren und einem Waldgebiet in Nordthüringen bewirtschaften die Mitarbeitenden insgesamt 26.600 Hektar Wald. Die Erträge aus der Forstwirtschaft stützen die Stiftungsarbeit der Klosterkammer. Und so ist es oberstes Ziel Stefanie Schottes und ihrer Kollegen, den Wald wirtschaftlich zu behandeln, dabei aber naturnah:
„Wir haben ja im Wald die so genannte Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion. Das heißt, wir balancieren immer zwischen Naturschutz, Erwirtschaften und auch den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden, also der Erholung, und das erfordert viel Fingerspitzengefühl. Da dreht man eben an der Art der Holzernte, man hat einen ganz hohen Aspekt der Nachhaltigkeit. Und dann versucht man natürlich auch, den Wald für die Erholungssuchenden offen zu halten und auch interessant zu halten, auch Einrichtungen zu schaffen. Wir haben in Wennigsen zum Beispiel, ganz berühmt, die Wasserräder, die bei uns in den Klosterforsten stehen. Einfach Dinge, die auch den Waldbesucher erfreuen.“
Die Försterin, die auch ausgebildete und aktive Waldpädagogin ist, betont, dass man kaum trennen könne zwischen Wirtschaftswald und Naturraum. Fast jede Waldfläche in Deutschland ist Wirtschaftswald. Viele Menschen, die keine Fachkenntnisse haben, bemerken dies aber gar nicht: Für sie ist es Natur. Stefanie Schotte empfindet dies als Lob.
„Ich habe noch nie jemanden gehört, der gesagt hat, oh, das sieht hier aus wie auf einer Plantage und ganz schrecklich. Und dadurch, dass die Menschen ja denken, sie wären in einem natürlich gewachsenen Wald, finde ich, kann man ja durchaus drauf rückschließen, dass unser Wirtschaften total positiv ist, nämlich so unauffällig, dass es einfach nicht im Vordergrund steht, für die Menschen jedenfalls nicht vordergründig sichtbar. Es gibt halt nur diesen Urwald nicht mehr, alles, was wir in Deutschland haben an Natur, ist anthropogen beeinflusst.“
In den vergangenen Jahren hat der Wald als Naherholungsziel zum Spazieren, Sporttreiben und Entspannen enorm an Beliebtheit gewonnen. Während der Coronapandemie flüchtete sich die Stadtbevölkerung regelrecht in den Wald. Und er bleibt sehr beliebt. Die Försterin freut sich über das Interesse, aber manchmal wird es ihr auch zu viel und zu voll.
„Wald hat eben auch ne begrenzte Fläche. Wenn dann da Ströme an Besuchern mit unterschiedlichen Interessen und Absichten am Wochenende oder bei Schönwetter im Deister auftauchen, ist das halt ein extrem hohes Konfliktpotential. Wenn wir dazwischen noch Forstwirtschaft betreiben möchten, ist das einfach unglaublich schwierig und mit wahnsinnig vielen Gesprächen und Diskussionen behaftet.“
Die Forstwirtschaft ist auch deshalb wichtig, weil Holz als Rohstoff zum Bauen oder für Möbel stärker in den Blickpunkt gerückt ist. Das ist eine gute Entwicklung, findet Stefanie Schotte:
„Weil wir einfach ein tolles Produkt produzieren, was ne gewisse Achtung verdient und einfach auch verwendet werden sollte. Mit den ganzen Problemen, die wir heute haben, ist Holz ein wunderbarer Baustoff, und ne super Alternative zu vielen Baustoffen, die sonst mit vielen CO2-Emissionen verbunden wären, wenn man in der Herstellung da nachsieht.“
Als Fachfrau läuft Stefanie Schotte natürlich mit einem ganz anderen Blick durch ihr Revier als Laien in ihrer Freizeit. Daher sieht auch an jeder Wegbiegung Probleme, die der Umwelt und dem Forstbetrieb Sorgen bereiten. Gemeint sind klimatische Veränderungen und damit seit Jahren die Borkenkäferplage. Diesen Schädling versucht die Försterin zu bekämpfen, indem sie befallene Bäume herausnehmen lässt, bevor die Käfer sich vermehren. Um die betroffenen Bäume zu finden, muss sie ganz nah an diese heran.
[mit Waldgeräuschen] „Das sind diese typischen Fraßgänge, die man halt findet und wo man halt nach suchen muss. Und hier sieht man auch, wenn die Borkenkäfer sich einbohren, wehrt der sich halt mit Harzfluss. Dann kriegt die überall so kleine Harzstippen auf der Rinde. Wenn man früh dran ist, kann man das an diesen Harzausflüssen erkennen. Aber man erkennt tatsächlich auch, wenn man vorsteht, wirklich Bohrlöcher. Man muss bis an den Stamm laufen, da sind überall kleine Löcher drin. Und da kommt auch Bohrmehl raus, also ganz kleines, gemahlenes, braunes Mehl.“
Auch Schäden durch Trockenheit bereiten Schotte und ihren Kollegen Sorge. In ihrem Revier sind davon beispielsweise Buchen und Eichen betroffen. Und so muss sich die Forstwirtschaft mit der Frage auseinandersetzen, wie der Wald in Zukunft gestaltet werden soll, damit er vital bleibt. Im Moment lautet das Credo, möglichst viele Baumarten zu mischen, um eine breite Risikostreuung zu erhalten. Für Experimente mit neuen Baumarten etwa aus dem Mittelmeerraum braucht es jedoch einen langen Atem:
„Bäume sind schwierige Lebewesen, weil wir immer nur ein Ergebnis kriegen nach vielleicht 50, 60 70, 80 Jahren und nicht einfach im Folgejahr. Man muss ja auch immer bedenken, dass Bäume, die man einbringt, auch ne Wechselwirkung haben mit Insekten zum Beispiel, mit Vögeln, mit allem, was wir so vor Ort im Wald haben. Das muss man gucken, ist das sinnvoll oder ist das nicht sinnvoll. Vertragen die das, was wir hier haben oder eben nicht?“
Trotz der Probleme, die Stefanie Schotte in ihrem Berufsalltag begegnen, ist und bleibt sie doch Försterin aus Leidenschaft.
„Ja, ist ne Lebenseinstellung und auch ne Berufung. Das ist nicht nur ein Beruf, sondern das ist irgendwie nen Leben. Wir können es hier fast gar nicht trennen in der Dienstwohnung, denn Sie sind immer vor Ort, sind immer ansprechbar in der Regel, und haben das Büro gleich neben dem Wohnzimmer und den Wald gleich hinter der Haustür.“
Manchmal allerdings legt auch die Försterin ihren professionellen Blick ab und geht einfach zum Spaß durch den Wald. Etwa, wenn sie ihren Lieblingsplatz erreichen möchte, nur wenige Minuten vom Forsthaus entfernt: Eine Anhöhe nahe eines Wanderwegs, von der aus man weit über die umliegenden Dörfer schauen kann.
[mit Vogelgezwitscher] „Die Aussicht ist einfach immer schön und man fühlt sich so erhaben. Ich finde, das ist hier einfach ein toller Platz. Denn hier geht auch der Wanderweg ganz schön weiter und gerade, wenn man ihn im frühen Frühjahr läuft, ist das hier gespickt mit Frühblühern und alles mit Buschwindröschen voll. Und das ist immer ganz, ganz schön.“