23.04.2013
Mittelalterliche Maltechniken enträtselt
Restauratorin der Klosterkammer veröffentlicht Ergebnisse zu Prozessionsfahnen aus dem Kloster Lüne
Sie sind mehr als 600 Jahre alt, hinter dicken Klostermauern verwahrt und gelten als äußerst bedeutende Bestände mittelalterlicher Leinwandgemälde in Deutschland: die Prozessionsfahnen aus dem Kloster Lüne. Kirsten Schröder, Diplom-Restauratorin der Klosterkammer Hannover, hat diese Fahnen mehr in akribischer Kleinarbeit die verwendeten Materialien analysiert und die Techniken erkundet, die zur Herstellung dieser Leinwandmalereien angewandt worden sind. Daraus ist nun ein Buch entstanden.
Kirsten Schröder, Diplom-Restauratorin der Klosterkammer Hannover, hat Prozessionsfahnen aus dem Kloster Lüne mehr als ein Jahr lang ausgiebig erforscht. Ihre nun zu einem Buch zusammengefassten Forschungsergebnisse belegen, dass die Herstellung der beidseitig bemalten Prozessionsfahnen aus der Tradition der Tafelmalerei hervorging - und nicht aus der so genannten Tüchleinmalerei.
"Ein Pilzbefall machte die Konservierung der Prozessionsfahnen notwendig und somit bot sich mir die einmalige Chance, ein derart umfangreiches Projekt federführend zu begleiten", sagt Kirsten Schröder. Für die Herstellung der Prozessionsfahnen haben die Künstler kostbare Materialien verwendet, beispielsweise Seide, Gold sowie wertvolle Pigmente wie Zinnober oder Azurit. Sie verfügten über ein großes maltechnisches Wissen und Können, arbeiteten mit mehrschichtigen Grundierungen, verschiedenen Blattmetallauflagen wie Gold und Zinn, und wendeten unterschiedliche Vergoldungstechniken an. "Diese Dokumentation erschließt erstmals wissenschaftlich umfassend die Vielfalt und hohe Kunst der mittelalterlichen Maltechniken auf Leinwand", sagt Joachim Frey, Leiter der Restaurierungswerkstatt der Klosterkammer Hannover und Projektinitiator. Die Prozessionsfahnen sind mittlerweile wieder zurückgekehrt und in speziell angefertigten Vitrinen im Textilmuseum des Klosters Lüne zu sehen. Ob sie dort auch angefertigt worden sind, ist bislang noch unklar. Kirsten Schröder geht aber davon aus, dass sie im Umkreis von Lüneburg entstanden sind. "Pro Jahr kommen mehr als 16.000 Besucherinnen und Besucher in unser Kloster - vom Touristen bis zum Kunsthistoriker. Die hier im evangelischen Konvent lebenden Frauen sorgen dafür, dass die Prozessionsfahnen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden", sagt Reinhild Freifrau von der Goltz, Äbtissin im Kloster Lüne. "Die Prozessionsfahnen sind Sachzeugen des Glaubens sowie der Kloster- und der Kunstgeschichte. Ich erhoffe mir, dass diese Publikation zu einem weiter ansteigenden Interesse an unseren Klöstern und Stiften beiträgt", unterstreicht Klosterkammer-Präsident Hans-Christian Biallas.